09. Dezember 2025
Klinisch relevante Veränderungen: Was Schmerzpatienten spürbar hilft

Deutscher Schmerzkongress zeichnet wissenschaftliche Arbeit aus
Hopfen am See – Welche Veränderungen im Verlauf einer Behandlung sind für Patienten mit chronischen Schmerzen tatsächlich bedeutsam? Und ab welchem Punkt lässt sich ein Behandlungserfolg verlässlich nachweisen? Eine Studie des Interdisziplinären Schmerzzentrums der m&i-Fachklinik Enzensberg liefert hierfür klare Grenzwerte. Die Ergebnisse unterstützen Ärzte und Therapeuten dabei, individuelle Therapieverläufe ihrer Patienten realistischer einzuschätzen und Behandlungen gezielt zu steuern.
Für diese wissenschaftliche Arbeit wurden Chefarzt Dr. Martin Steinberger, Dr. Oliver Kuhnt, leitender Psychologe am Interdisziplinären Schmerzzentrum der m&i-Fachklinik Enzensberg, sowie Dr. phil. Ingo Haase, Leiter Forschung, Entwicklung und Qualitätssicherung der m&i-Klinikgruppe Enzensberg, auf dem Deutschen Schmerzkongress 2025 ausgezeichnet. Ihr Poster „Zur klinischen Relevanz von Veränderungen bei Patienten mit chronischen Schmerzen“ wurde mit dem Posterpreis (dotiert mit 500 Euro) prämiert.
Patientensicht als Maßstab für Behandlungserfolg
Um die Wirksamkeit multimodaler Schmerzbehandlungen zu messen, nutzen Patienten den Deutschen Schmerzfragebogen. Dieser erfasst Schmerzintensität, Einschränkungen im Alltag, psychische Belastung und Lebensqualität. Bisher war allerdings unklar, ab welchem Grad der Veränderung zwischen Vor- und Nachbefragung eine klinisch relevante Verbesserung vorliegt, die über zufällige Schwankungen hinausgeht und für Betroffene spürbar ist. Zur Klärung setzten die Forschenden zwei wissenschaftlich etablierte Methoden ein:
• die minimal klinisch relevante Differenz (MCID) – orientiert an der subjektiven Einschätzung des Behandlungserfolgs durch den Patienten
• die minimal nachweisbare Veränderung (MDC) – zeigt an, ab wann ein Ergebnis frei von Messfehlern ist.
„Diese Messgrößen ermöglichen es uns, den Behandlungsverlauf realistisch zu beurteilen“, sagt Dr. Ingo Haase. „Erst wenn wir wissen, ab wann eine Veränderung aus Patientensicht wirklich wichtig wird, können wir Therapieziele korrekt definieren.“
Umfangreiche Datengrundlage: 954 behandelte Schmerzpatienten
Die Studie analysierte die Daten von 954 Patienten, die im Interdisziplinären Schmerzzentrum in Hopfen am See stationär multimodal behandelt wurden. Die meisten litten seit vielen Jahren unter Schmerzen und befanden sich im zweiten oder dritten Stadium der Schmerzchronifizierung. Die Teilnehmer füllten mehrere Monate vor Behandlungsbeginn sowie rund sechs Monate nach Abschluss erneut den Deutschen Schmerzfragebogen aus und bewerteten zusätzlich den Gesamterfolg der Therapie auf einer fünfstufigen Skala. Für verschiedene Parameter, wie Schmerzintensität, Beeinträchtigung, psychische Belastung und Lebensqualität, wurden anschließend MCID- und MDC-Schwellenwerte berechnet.
Die Ergebnisse zeigen, dass Verbesserungen zwischen 25 und 74 Prozent des Ausgangswerts erforderlich sind, um als klinisch relevant zu gelten. Geringfügige Veränderungen reichen dafür nicht aus. Das Ergebnis ist in der Praxis hilfreich für die Therapieplanung, da es Informationen für die Entscheidung über die Fortsetzung, Anpassung oder den Abbruch der Therapie liefert.
Darüber hinaus können Ansprechraten verschiedener Behandlungsansätze miteinander verglichen und diese somit besser evaluiert werden. Die berechneten MCID- und MDC-Werte dienen den Forschern auch als Grundlage für ihre Projektplanung und die Festlegung interner Qualitätsziele. „In unserer täglichen Arbeit bedeutet dies, dass wir den Behandlungserfolg nicht einfach als besser oder schlechter einstufen können, sondern uns auf die eindeutigen klinisch relevanten Schwellenwerte beziehen können“, erklärt Dr. Martin Steinberger. „Dies nutzen wir, um im Therapieverlauf Entscheidungen zu treffen und den Patienten das Ausmaß einer Veränderung zu verdeutlichen“, ergänzt Dr. Oliver Kuhnt.
Bedeutung des Preises für das Schmerzzentrum
Die Deutsche Schmerzgesellschaft und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) prägen die Entwicklung der Schmerzmedizin in Deutschland seit Jahrzehnten. Laut Dr. Steinberger ist die Auszeichnung Anerkennung und Bestätigung der wissenschaftlichen Arbeit der Kollegen. Sie stärkt das Ansehen des Schmerzzentrums in der Fachwelt und motiviert zu verstärkter Forschung. Die Wirkung der Behandlungen wird untersucht, die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Verbesserung der Leistungen ein. Dr. Kuhnt betont die Bedeutung der Auszeichnung: „Der Deutsche Schmerzkongress ist der wichtigste deutsche Schmerzkongress. Wir sind stolz darauf, in diesem Kontext Anerkennung zu finden, und dies motiviert das gesamte Team, die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Klinik und Qualitätssicherung weiter zu stärken, z.B. durch verstärkte Kongressteilnahmen und Publikationen in medizinischen Fachzeitschriften.“
Deutscher Schmerzkongress 2025
Der Deutsche Schmerzkongress 2025 stand unter dem Motto „Neugier auf Neuland“. 1.511 Teilnehmer besuchten 80 Sitzungen mit insgesamt 201 wissenschaftlichen Vorträgen und Posterpräsentationen. Entsprechend hoch ist der Stellenwert des Preises für die m&i-Fachklinik Enzensberg: Die ausgezeichnete Arbeit setzte sich in einem großen, fachlich anspruchsvollen Feld durch.

